Sonntag, 1. April 2007


April, April!

Diesmal gibt es keinen Sieger...

Na gut, der Scherz geht eh nach hinten los, also gratuliere ich dem glücklichen Gewinner, der sich mit dem Text Irgendwann in die Herzen unserer werten Leser geschrieben hat.

Sie kennen Ihre Verpflichtung, nicht wahr? Kontakt mit den Admins aufnehmen, den ausgemachten Betrag auf die Konten überweisen, die Ihnen als Antwort zukommen werden und schon ist alles paletti! ;)

Und wenn Sie damit fertig sind, nehmen Sie die Maske ab und geben uns einen neuen Satz für den April, der wohl mit Ihrem Sieg und all der Sonne nicht besser hätte beginnen können.

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Montag, 26. März 2007


Märzenqual der Wahl

Trotz der Frühjahrsmüdigkeit und dem zwischendurch doch verlockenden Sonnenschein sind es auch in diesem Monat wieder sechs Stories geworden, unter denen der geneigte Leser sich bitte entscheiden möge:

Welche Story hat dir am besten gefallen?

 
18.18% (2 Stimmen)
Der einzig wahre Grund

0% (0 Stimmen)
Löschung

 
36.36% (4 Stimmen)
Irgendwann

 
9.09% (1 Stimme)
Die Überfahrt

 
27.27% (3 Stimmen)
Sandsturm

 
9.09% (1 Stimme)
Wenn lieben denn so einfach wäre

Insgesamt: 100% (11 Stimmen)

Angelegt von dezentral am 2007.03.26, 23:05.
Diese Abstimmung wurde am 2007.04.01, 14:33 beendet.


Es kann bis Samstag, 31. März, ca. 20.00 Uhr abgestimmt werden.

***

Danke an alle, die auch dieses Mal mitgemacht haben. Ihr seid klasse.

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Wenn lieben denn so einfach wäre…

Im Morgengrauen, als die von Osten aufsteigende Helligkeit ganz langsam begann die bis dahin undurchdringliche Dunkelheit aufzubrechen, saß sie im Bus nach Hause. Endlich. Was hatte sie nur dazu getrieben, so lange dort zu bleiben bis dass es hell wurde? Wollte sie nicht einfach nur einen schönen Abend mit Freunden haben und dann zuhause müde ins Bett fallen? War es, weil sie nicht müde war? Oder war es einfach nur ein weiteres so passendes Puzzlestück aus ihrem Leben? Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?
„Das ist alles so falsch… so falsch…“ murmelte sie. Sie hätte auch lauter sprechen können. Die einzige andere Person im Bus saß weiter vorne und hätte sie sowieso nicht gehört.
Sie kramte das Buch raus, das sie für die Heimfahrt mitgenommen hatte. Auf dieser Strecke las sie meistens. Was sollte sie auch sonst tun? Der Weg war verdammt lang. Aber heute konnte sie nicht. Sie starrte auf die Worte, die ihr vorkamen, als seien sie einer anderen Sprache entnommen, so wenig verstand sie sie. Sie starrte aus dem Fenster. Schön war die Stadt nicht. Und in der langsam anbrechenden Morgendämmerung, menschenleer, sah sie noch weniger einladend aus als sonst. Aber sie mochte die Stadt trotzdem. Oder vielleicht gerade deshalb. Nichts Vereinnahmendes, nichts, das sagt „Bleib!“. Keine Erwartungen. Man bleibt, genießt, und geht. Oder bleibt. Wann und wie man will.
Pfff, wenn das so einfach wäre!
Verrückt! Und falsch! „Falsch, falsch, falsch.“ Das alles war so falsch. Warum konnte sie nicht einfach den lieben, der sie auch liebte? Sie hatte ihn doch mal geliebt! So sehr. Am Anfang hatte es wehgetan. Keine Erwartungen. Das kann auch schwer sein. Sie liebte ihn von Anfang an. Er sie nicht. Dann, mit der Zeit, näherten sie sich einander an. Und das war wohl die schönste Zeit. Glück. Glück ist so zerbrechlich. Sie hatte immer Angst davor, dass es zerbrechen würde. Sie hatte es immer wieder zerbrechen sehen. Bei anderen. Sie glaubte nicht an die perfekte Liebe. Wollte nicht daran glauben. Aus Angst, dass sie sie verlieren würde, in dem Moment, in dem sie an sie glauben würde.
Und ist nicht genau das geschehen?
Erst begann er, sie zu überholen. Plötzlich liebte er sie mehr als sie ihn. Das war merkwürdig – was es doch immer andersherum zuvor. Es war, als habe sie plötzlich all das, was sie immer haben wollte. Und alles nur, um festzustellen, dass sie es eigentlich gar nicht wollte. Oder doch? Sie wusste es nicht mehr.
Und dann kam irgendwann der Zeitpunkt, an dem sie feststellte, dass sie ihn nicht nur weniger liebte als er sie. Sie liebte ihn gar nicht mehr.
Und es war, wie sie es immer befürchtet hatte. Sie hatte nicht mehr damit gerechnet. Sie beide hatten nicht mehr damit gerechnet. Waren sich ihrer Liebe plötzlich so sicher gewesen. Zu sicher.

Draußen schalteten sie die Lichter aus. Nun war es wirklich ein neuer Tag. Sie würde so müde sein, wenn sie in wenigen Stunden aufstehen würde. War es das wert gewesen?

Und dann gab es den, der sie liebte, oder zumindest glaubt, es zu tun. Er müsste es besser wissen. Er wusste um ihre Gefühle. Dass sie nicht verliebt war. Es nicht ändern konnte. Dass es aber einen gab, der sie liebte und dass dieser nun litt. Er müsste wissen, dass es nicht gut war, sie zu lieben. Konnte er denn nicht klüger sein?
Noch einer, der Erwartungen hatte. Zwar sagte er, er wisse, dass seine Liebe aussichtslos war. Und doch. Immer war er um sie herum. Wollte Zeit. Wollte Aufmerksamkeit. Verstand er denn nicht, dass es genau das war, was sie gerade nicht geben konnte? Wenn schon nicht dem anderen, wie dann ihm? Konnte er sie nicht in Ruhe lassen?
Konnten sie sie beide nicht in Ruhe lassen?

Natürlich hätte sie das genauso einfach nur sagen können. Und bis auf den letzten Satz hatte sie das ja auch getan. Hatte verletzen müssen, um selbst nicht kaputt zu gehen. Aber ganz hatte sie es nicht geschafft. Ganz verlieren wollte sie sie nicht. Sie mochte sie ja. Gut, der eine hatte kaum Bedeutung für sie, war er doch erst vor kurzem zu einer Art Freund geworden. Aber den anderen kannte sie schon so lange. Sie hatten so eine gute Zeit. Das kann man doch nicht einfach so wegwerfen.
Sie mochte ihn ja. Sie liebte ihn nur nicht mehr.
Sie wusste immer, dass er nicht der Typ für Freundschaften war. Wenn vorbei, dann richtig. Und dafür war sie noch nicht bereit. Ganz oder gar nicht. Erwartungen. Immer wieder Erwartungen.

Erwartungslos begann, was nicht hätte beginnen dürfen und sie genau hierher brachte – in diesen Bus um eine Zeit, zu der sie eigentlich längst in ihrem Bett liegen sollte.
Er wusste, dass sie einen anderen hatte. Und er wusste, dass sie trotzdem mitkommen würde. Er wusste nicht, ob sie es wiederholen wollte. Aber sie wusste, dass sie es tun würde. Auch wenn sie es verneinte, als sie sich selbst die Frage stellte. Sie wusste, dass es bedeutungslos für ihn war. Und für sie sein sollte.
Und da war sie wieder. In ihrem alten Muster. Scheinbare Freiheit. Kommen und gehen wann und wie man will. Welch ein Unsinn! Gefühle, die sie nicht haben wollte. Weil sie nicht erwidert werden würden. Weil sie nirgendwo hin führten. Weil sie doch einen anderen lieben sollte. Es wenigstens versuchen sollte. Erwartungen. „Nur keine Erwartungen haben“, flüsterte sie und schüttelte den Kopf.
Beim zweiten Mal ‚passierte’ es einfach nur so, so wie beim ersten Mal. Das nächste Mal war schon beinahe geplant. Zumindest wussten sie beide, dass es geschehen würde.

Das war nicht Freiheit. Das war nicht Liebe. Sehnsucht vielleicht. Oder Davonlaufen. Davonlaufen wovor genau? Sehnsucht wonach?

Sie wusste es nicht. Müde stieg sie aus dem Bus.

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Sonntag, 25. März 2007


Sandsturm

Im Morgengrauen, als die von Osten aufsteigende Helligkeit ganz langsam begann die bis dahin undurchdringliche Dunkelheit aufzubrechen, blinzelte er in die staubige Umgebung. Am Horizont flimmerte die Luft und ließ in ihm die Vorstellung eines Ofeninneren wachsen. Wie lange lag er nun schon hier, regungslos und still, Freunde und auch Fremde um ihn herum? Es mussten Tage sein. Vielleicht eine Woche. Er hatte nach ein paar Nächten das Zählen aufgegeben und sich lieber ängstlich in die Erdkuhle geduckt. Um ihn herum war es heute still, nur in der weiten Ferne hörte es das dumpfe Schlagen der Gegner, das leise Zischen ihrer Waffen, irgendeiner brüllte Befehle, kurz darauf ein Knall, dann Stille.

Er tastete nach seinem Bein, um zu sehen, ob es noch dort war, wo er es vor ein paar Stunden noch zu spüren vermocht hatte. Das taube Gefühl war an seiner Wade entlanggekrochen, wie ein Parasit hatte es sich nach und nach seines kompletten Unterschenkel bemächtigt und hatte nicht aufgehört, auch den Rest zu erobern. Irgendwann war ein stechender Schmerz durch seine Nerven gezogen, kurz danach hatte er das Gefühl für sein Bein verloren. Seine Hand massierte die Wade, sie war immer noch an der Stelle wo sie zu sein hatte, aber sie war zu einem leblosen Klumpen Fleisch verkommen. Die Blutung hatte nachgelassen, immerhin. Er betrachtete seine Hände, die schwarz vom getrockneten Blut und dem Sand waren. Kleine Brandblasen hatten sich herausgebildet, zu lange hatte er den Rat der anderen nicht ernst genommen, sich die Handschuhe anzuziehen zum Schutz vor dem brennend heißen Sand. Jetzt war er schlauer.

Zu seiner Linken regte sich etwas. War es ein Freund oder hatte einer der anderen überlebt? Sein Herz schlug schneller, machte ihm das Atmen schwer. Er verlor sich in Gedanken an seine Frau. Er stellte sich vor, wie sie gerade aufstand und im Badezimmer ihr langes Haar zu bürsten begann. 40 Striche links, 40 rechts. Danach trug sie ihre Creme auf und tuschte ganz leicht ihre Wimpern. Sie hatte es nicht nötig, Make-up zu tragen, denn sie war wunderschön so wie sie war. Deshalb liebte er sie so sehr. Er liebte ihre Natürlichkeit und ihr Lachen, wenn sie ihren Kopf leicht nach hinten warf dabei. Er dachte an ihre Hüften, wie sie sich beim Tanzen an ihn schmiegten und er den Verstand verlor aus Liebe zu ihr. Wie gerne würde er jetzt bei ihr sein und gemeinsam mit ihr Frühstücken. Stattdessen lag er hier im gottverdammten heißen Sand, mit einem Bein, das er nicht mehr spürte und dieser hässlichen Wut im Bauch. Er war selber Schuld. Er hatte sich freiwillig gemeldet für diesen Höllentrip. Gierig auf eine gute Story hatte er alle Ängste und Zweifel beiseite gewischt und war den Soldaten in den Sand gefolgt. Jetzt waren sie allesamt tot und er hier. Allein. Im besten Fall. Falls die anderen nicht überlebt hatten.

Die Augen seines Gegenübers flimmerten wie der Horizont, nur aus Hass statt durch die aufkommende Hitze. Er hatte wunderschöne, tief braune Pupillen, man sah ihnen an, dass sie bereits sehr viel Leid und Grausamkeit gesehen hatten. Sie waren auch bereit, aus eigenen Stücken grausam zu sein. Es war Krieg, es gab keine Freunde, keine Trennlinie, die Gut und Böse unterscheiden ließ, keine Moral, wenn man selber überleben wollte. Er hatte zur Sicherheit eine Waffe bekommen. Als der Angriff auf sie gestartet worden war, hatte er nur einen Schuss abgegeben, in die Luft, zur Warnung. Er war kein Mörder. Er konnte nicht schießen. Hätte er es dennoch getan, wäre die Splittergranate nicht bei ihnen gelandet, sondern in den Händen ihres Werfers hochgegangen. Wäre es besser gewesen? Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Wer konnte das schon sagen? War entschied hier über Richtig und Falsch? Wer setzte Regeln? Er nicht, dessen war er sich sicher.

„Tu es nicht“, flehte er sein Gegenüber mit den Augen an. „Lass sie liegen, renn fort, tu es nicht.“ Seine Kehle war trocken, verstaubt, er brachte schon länger keine Worte mehr heraus. Eindringlich ließ er seine Augen sprechen. „Tu es nicht.“ Immer wieder schrie er diese Worte aus seinen Pupillen heraus.
Sein Gegenüber verstand ihn. Er tat es dennoch.

Die Kugel traf den Körper oberhalb des Kehlkopfes. Sie durchpflügte die Haut und riss das Fleisch von den Muskeln. Ein leises Röcheln hing wie der feine Sandstaub in der Luft. Dann sackte der Getroffene zusammen. Eine Marionette, der man die Fäden kappte, dachte er sich. Eigentlich hatte er auf die Brust gezielt. Er war kein guter Schütze, wie auch. Er hatte nur eine Story gewollt, eine „von innen“, die einschlug wie eine Bombe. Würde er überleben und nach Hause kommen, er hatte sie sicher. Es würde eine Story über den Krieg und den Hass, der im Sand tobte. Es würde eine über ihn und seine Ängste. Er würde darüber schreiben, was er hier erlebt hatte und wie schwer es ihm gefallen war, sich zu verteidigen.

Dass er einen Jungen erschossen hatte, kaum älter als zwölf, in dessen Augen der Hass flimmerte wie die Luft am Horizont dort im Osten, wo die Helligkeit durch die Dunkelheit brach, würde er nicht schreiben.
Die Sonne begann ihn zu blenden. Es war wieder alles still. Selbst in der Ferne schien man eine Gedenkminute eingelegt zu haben. Über die Stille wollte er schreiben. Über diese quälende Stille, hier im gottverdammten heißen Sand.

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Montag, 19. März 2007


Die Überfahrt

Im Morgengrauen, als die von Osten aufsteigende Helligkeit, ganz langsam begann, die bis dahin undurchdringliche Dunkelheit aufzubrechen, hatte ich endgültig verlernt, zu lieben.

Das Schiff war noch gute 3 Stunden vom Ufer entfernt, und ich hatte verlernt, zu lieben.
In einem warmen fremden Land würde ich von Bord gehen, ohne zu wissen, wie man liebt.
Toll...

Dabei waren wir doch erst vor 2 Tagen gemeinsam an Bord gegangen. Er und ich.
Nur Augen für uns hatten wir gehabt und lächelten der neuen Welt mit den malerischen weißen Stränden teenager-liebesblind entgegen.
Die anderen Passagiere waren uns absolut egal. Wir hätten sie noch nicht einmal bemerkt, wenn sie alle in unserer Kajüte um unser Bett herum gestanden hätten.
Verdammt, konnte dieser Kerl gut küssen...

Ich habe absolut keine Ahnung, was seitdem passiert ist.
Nicht, dass ich mein Gehirn ohne Unterbrechung danach fahnden lassen würde – dafür habe ich ja nun wirklich keinen Grund – aber, bisher kann ich mir einfach nicht erklären, welchem denkwürdigen Umstand ich meinen aktuellen Seelenzustand zu verdanken haben soll.
Nun steh ich hier an an Deck dieses Riesenkreuzers und habe also verlernt, zu lieben.
Super Diagnose.

Er konnte nicht nur gut küssen. Zauberhaft ist er gewesen. Nein, ehrlich. Ganz zauberhaft. Und schön. Schönes Lächeln, schöner Körper, schöne Hände und – ein wirklich wunder-, wunderschönen Körper.
Irgendwie hatte er mich immer an Honig erinnert. Süß, tief strahlend und klebrig.
Ich konnte von ihm einfach nicht genug bekommen. Wir hatten noch nicht mal den Hafen verlassen, als wir das erste Mal völlig ermattet und verschwitzt in unserer Kajüte von einander abließen. Wir hatten uns mit einer Leidenschaft geliebt, die nur Menschen kennen, die nicht mehr wissen, wie ein Leben ohne den Anderen an ihrer Seite überhaupt hatte jemals möglich sein können.
Wir sahen uns tief in die Augen als das Schiff ablegte und ich weiß noch, wie ich dachte: ‚wie habe ich mein Leben bis heute ohne dich geschafft? Wie war es überhaupt möglich, daß ich, ohne diese Hälfte, die mich zu vervollständigen scheint, überlebt habe? Wie nur? Diese ganze Zeit? Ohne Dich?’
Natürlich habe ich es nicht laut ausgesprochen. Bin ruckartig aufgestanden. Brauchte einen Kaffee und eine Zigarette. Immerhin kannten wir uns ja erst ein paar Wochen.

Diese gemeinsame Reise war sowieso mehr Zufall als Planung gewesen.
Jeanette hatte kurzfristig absagen müssen, weil ihre Schwester, kurz nachdem sie ihr drittes Kind zur Welt gebracht hatte, aus Gründen postnataler Gewichtsregulierung eine Rollerblade-Tour durch das nasskalte Hamburg machen mußte, das zum ersten Mal in diesem Jahr über Nacht unter einer Schneedecke verschwunden war. Pech für Jeanette’s Schwester: Hamburg hatte unter dieser Decke noch einen Panzer aus Blitzeis versteckt.
Nun war Jeanette’s Schwester gut in einem 4-Bett-Zimmer einer Chirurgischen Abteilung untergebracht während Jeanette sich zu tiefst wünschte, ähnliche Instrumente wie sie die Ärzte benutzt hatten, um das Bein ihrer Schwester zu richten, wären gegen die drei plärrenden Göhren - die sie nach den telefonischen Schrei-Heul-Vorwürfen ihrer in München lebenden Mutter, natürlich gegen hübsche Stewards und märchenhafte Strände eingetauscht hatte - auch nur ansatzweise erlaubt,
Die Rollerblades waren im Müll und Jeanette’s Ticket bei meiner neuesten Eroberung Toni gelandet.

Der erste Abend auf See war einfach nur traumhaft. Das Dinner war hervorragend, und nachdem wir das schiffseigene Casino um die beträchtliche Summe von 48,50 Euro erleichtert hatten, feierten wir unseren Gewinn noch unter einer der vielen Außentreppen. Meinen 500 Euro Hosenanzug kann ich jetzt wohl wegwerfen.
Achje, ich grinse schon wieder vor mich hin...

Am nächsten Morgen ging es los: Ich wachte auf und von der anderen Bettseite schlug mir fremder Atem entgegen. Zu nah. Viel zu nah.
Wegstoßen wollte ich ihn. Hatte nicht geklappt. Na ja, beim ersten Mal jedenfalls nicht. Mein zweiter Versuch war so gut, dass Toni sich neben dem Bett wiederfand. Er war sauer.
Ich auch! Nie war die Rede von dermaßen viel Nähe gewesen. Jeanette hätte mir nie ihren Atem in mein Gesicht gejagt. Da mochten unsere Nächte vorher noch so toll gewesen sein.
Was soll’s? Jetzt habe ich ja meinen Abstand. Jede Menge Abstand ist jetzt um mich herum. Hier, noch knapp 2 Stunden vor der angestrebten Hafeneinfahrt. Keiner, der mir zu nah kommt. Keiner, der ständig meine Hand in seiner vergraben will.

Ich bin frei! Jawohl, und dafür lohnte sich jawohl jeglicher angeblicher Anfall von Liebes-Alzheimer! Mir geht’s richtig gut! Viel besser, ohne so ein fremdes Luftgebläse!
Aber küssen konnte er. Und diese Hände. Er hat Hände, die gut fassen können. Diese Hände würden niemanden fallen lassen. Egal, wie schwer und wie hässlich man sich fühlen würde.
Möchte wissen, wo er jetzt steckt. Ist weggerannt, wie ein kleines Schulmädchen.

Die zweite Nacht hab ich gewartet, bis er eingeschlafen war. Dann hab ich mich aus seiner noch schwitzenden Körperfalle befreit. An der Bar hab ich dem Pianoplayer noch bis zum Morgengrauen zugehört. Ich roch immer noch nach Sex. Irgendwann bin ich zurück in unsere Kajüte. Er lag da und schnarchte, und bevor ich genau verstand, was ich tat, hatte ich mich freiwillig in die gleiche Falle gelegt, die mir vorher die Luft geraubt hatte.
Schwäche oder Müdigkeit. Was sonst?

Vorgeworfen hat er mir, ich hätte, völlig ohne ersichtlichen Grund, in den vergangenen zwei Tagen einfach aufgehört, ihn zu lieben. Ob ich es vergessen hätte. Wütend hatte er geklungen. „Was denn sonst?!“ Wütend. „Oder willst Du mir jetzt irgendwas erzählen von Platzangst? Freiheitswahn? Beziehungsunfähigkeit?“ Wütend.
Hab ihn ausgelacht. Angst? Ich?? Niemals! Unfähigkeit? Pah, natürlich nicht!
„Laß das.“ Hat er gesagt. „Dafür bist du zu alt.“
Hab mir dann eine Zigarette angezündet, mein Haar nach hinten geworfen und ihn weiter ausgelacht bis er noch wütender als vorher aus der Kajüte gerannt ist.

In der letzten halben Stunde hab ich mir diese Fragen immer und immer wieder gestellt.
Kann man denn wirklich verlernen, zu lieben? Aber, darum geht es ja schließlich auch gar nicht wirklich! Es geht hier um’s Prinzip. Wenn ich nicht will, dass mir jemand so nah kommt, dann will ich es eben nicht. Jeanette hätte das verstanden. Auch auf diesem schwimmenden, limitierten Raumkontingent wären wir beiden uns niemals zu nah gekommen!

Verdammt, brauche ein Taschentuch. Hab wohl was ins Auge bekommen.
Noch eine Stunde. Sollte meine Tasche langsam packen. Hm, hab wohl vorhin vergessen, die Kajütentür abzuschließen.

Da steht er. Blickt durch das Bullauge auf’s Meer hinaus. In mir fühle ich ein kurzes aber heftiges Gewitter, und während ich noch die Worte meiner Großmutter im Ohr habe, „ein Gewitter reinigt die Luft, mein Kind“, weiß ich, was zu tun ist.
Ich laufe zu den wärmsten Augen, die ich je gesehen habe, laufe als einsamste Hälfte der Welt auf die offensten Arme, die mir je eine Falle gestellt haben und vergrabe mich. Vergrabe mich in mir selbst. Vergrabe mich in uns. Ein langsamer Kuss auf die Stirn. Ein langsamer Kuss auf jedes meiner Augen, und auf einmal wusste ich es wirklich nicht mehr: wie hatte ich es nur die ganze Zeit geschafft, diese Unvollständigkeit zu ertragen?
Ich konnte es kaum glauben, aber sie war weg. Zum ersten Mal in meinem Leben spürte ich, wie es sich anfühlte, ein Teil von einem Ganzen zu sein und erst durch ein bestimmtes Teil zu einem Ganzen zu werden.
Ich hatte es nicht verlernt. Ich erkannte das Gefühl, dass sich in meiner Brust ausbreitete und wehrte mich nicht dagegen, als es für mich unbekannte Tiefen einnahm.

In diesem Moment erreichen wir den Hafen.

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Samstag, 17. März 2007


Irgendwann

Im Morgengrauen, als die von Osten aufsteigende Helligkeit ganz langsam begann die bis dahin undurchdringliche Dunkelheit aufzubrechen, wurde ihm bewußt, wie lange er schon auf der alten Holzbank am See saß. Es war warm, viel zu warm für eine Nacht im Mai, sie paßte aber zu dem sehr milden, fast nicht da gewesenen Winter. War das der Grund, dass es in seinem Kopf so tobte? Kühlt der jährliche Winterfrost auch die Emotionen, die wirren Gedanken, die Sehnsüchte, die sich im Laufe eines Jahres anstauen? Dann müßten ja eigentlich auf den anderen Bänken auch einsame Gestalten sitzt, aber er sah keine. Er sah raus zum See, sah die langsam zunehmende Helligkeit, sah wie sich das Licht auf der ruhigen, nahezu glatten Wasseroberfläche spiegelte. Der neue Tag begann und die unsichtbare Kraft der Verpflichtungen zog ihn wieder an.

Es mußte schon fast 6 Uhr sein, schloß er aufgrund der Helligkeit. Er beugte sich nach vorne, legte seinen Kopf in seine Hände, verteilte die Last mit seinen Ellenbogen auf die Knie. Seine Fingerkuppen kratzten leicht über die Bartstoppeln vor seinen Ohren. In zwei Stunden der erste Termin im Büro, in 14 Stunden die Einladung von den Freunden seiner Frau, die nie seine Freunde werden würden. Wieder ein verlorener Tag in einer endlosen Kette verlorener Tage. War es das, wofür er lebte? Sich bereits am Morgen nach dem Zeitpunkt zu sehnen, an dem der Tag ein Ende hatte und der Schlaf ihn vom Nachdenken befreite?

Seine Gedanken kehrten wie so häufig in der letzten Nacht zum gestrigen Tag zurück. Zu dem letzten Gang, auf dem er seinen Freund begleitet hatte. Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, wie er ihn kennen gelernt hatte und es erschien ihm irgendwie seltsam. Er hatte von jeder Frau, die ihn eine zeitlang durch sein Leben begleitet hat, das Bild vom ersten Moment in Erinnerung. Das erste Lächeln, der erste Kuss. Wie er einen Freund kennen gelernt hat, der ihm deutlich länger als all die Frauen zur Seite stand, weiß er nicht mehr. Nur Bruchstücke der Erinnerungen auf einem gemeinsamen Weg, der plötzlich ein Ende fand.

Für 38 Jahre hat es gereicht, magere 38 Jahre und einen Berg von unerfüllten Träumen. Keine vier Wochen war es her, als sie im Irish Pub gesessen und zum hundertsten Mal über die geplante Amerika-Tour gesprochen hatten. Von New York bis San Fransisco auf zwei Harleys. Nightrods sollten es sein, schwarze Nightrods. Keine Frauen, keine Termine, keine Verpflichtungen. ‘Wir machen das’, hatte sein Freund ihm mit einem befreiten Lachen zugerufen, ihm dabei auf die Schulter geklopft bevor er die nächsten beiden Biere von der Theke holte, ‘irgendwann nehmen wir uns die Auszeit und dann fliegen wir rüber’. “Irgendwann war zu spät Kumpel”, flüsterte er zu sich selbst.

Das Schlagen eines Kirchturms riß ihn aus seinen Gedanken. Sechs Schläge zählte er, sechs Uhr. Er lächelte darüber, dass seine Zeitschätzung richtig war, wanderte dann mit seinen Gedanken wieder zurück zum Tag zuvor. Wie sie dort alle an der Tafel gesessen, gespeist und vor allem getrunken hatten. Leichenschmaus nennt man es, man soll vergessen und wieder lachen - doch ihm war nicht nach lachen zu Mute. Die anderen tranken, lachten, erzählten ihre Geschichten. Was waren es doch für tolle Zeiten, was hat man nicht alles erlebt. Als ihm bewußt wurde, wie lange die alten Geschichten schon her waren, war er ganz ruhig geworden. Die Glorifizierung der Vergangenheit um nicht über die Gegenwart nachzudenken, nie zuvor war es ihm so aufgefallen.

Er war nicht gleich gegangen sondern hatte noch ein Weilchen still zugehört. Von den Gesprächen über die guten, alten Zeiten sprang man direkt zu den Träumen, zu den Dingen, die man noch machen wollte, irgendwann. Irgendwann war er wortlos aufgestanden, gegangen und nach Hause gefahren. Später dann, als er es zu Hause nicht mehr aushielt, fuhr er raus zum See, der westlich des Stadtrandes liegt, setzte sich auf eine Holzbank und versuchte mit der Ruhe des Sees den Sturm in seinem Inneren zu besänftigen.

Zeit zu gehen, dachte er, als sich die Sonne am Horizont langsam über die Baumgipfel schob. Er kehrte zu seinem Auto zurück und fuhr zur Ausfahrt des Parkplatzes, die direkt in die Hauptstraße mündet. Auf der anderen Straßenseite sah er ein altes Plakat mit Zigarettenwerbung. Einen kurzen Moment starrte er auf die skurrile Szene und die zur Marke passenden Worte, dann mußte er lachen. Er verharrte noch einen Moment, bevor er auf die Hauptstraße bog. Kurze Zeit später spürte er, wie die stärker werdenden Strahlen der aufgehenden Maisonne durch die Heckscheibe fielen.

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Freitag, 16. März 2007


Löschung

Im Morgengrauen, als die von Osten langsam aufsteigende Helligkeit ganz langsam begann die bis dahin undurchdringliche Dunkelheit aufzubrechen, legte ich alle meine Kleider ab, zog die Vorhänge auf, löschte die zu unförmigen Resten niedergebrannten Kerzen.

Regungslos am Fenster stehend erwartete ich den noch nachtkalten Wind vor dem neuen Tag. Meine Schultern brannten von meinem strengen Willen gegen ihren eigenen sinkenden Mut. Ich genoss diesen Schmerz genauso sehr wie jenen, den das nächtliche Zermahlen jeglichen Lautes in meinen Kieferknochen hinterlassen hat. Kälter noch als das aufziehende Grau am Rande des schwarzen Horizontes war nur mein Blick, welcher den Wechsel zwischen Tag und Nacht schweigend beobachtete.

Als ich sie kommen hörte, ihr leises Flüstern schwebte ihnen voraus, rührte ich mich nicht von der Stelle und suchte auch nicht danach, meine Blöße vor ihnen zu verbergen, denn ich schämte mich nicht meiner Nacktheit. Als man mir ein Laken um die Schultern zu legen versuchte, fasste ich nicht danach. Hilflos rutschte es von meinen Schultern und fiel zu Boden, bildete einen weißen Halbkreis aus Stoff um die Stelle, auf der ich stand.

Ich drehte mich herum, fort vom Fenster und dem heller werdenden Grau. Sie senkten die Köpfe, sahen mich nicht an, einer von ihnen wand sich hastig ab. Ich nickte stumm, als man mir deutete, ihnen zu folgen.

Ich spürte die Blicke der Unbeteiligten auf mir, vernahm irritierte Fragen, Verwirrung und auch Abscheu über meine wie in eitlem Stolz getragene nackte Haut. Ich ließ nicht zu, dass mich ihr unwissendes Urteil berührte und ihre empörte Scham blieb bei ihnen allein.

Ein antiseptischer Geruch hing über dem Stahltisch, von dessen steriler Oberfläche das grelle Licht zurückgeworfen wurde. Meine Hand wollte eine Abwehrbewegung machen, als sie den glatten Tisch mit einem grünen Tuch bedeckten, so gerne hätte ich meinen Körper widergespiegelt gewusst von dem kalten Metall, doch Arm und Schulter standen unter dem Bann meines aufrechten Willens. In stummen Bedauern ließ ich mich in den Kreis der unzähligen Lichter führen, trat an den Tisch, streckte mich lang darauf aus.

Ich zählte nicht die Injektionen, mit denen sie die Haut meiner Handrücken und Armbeugen zerstachen. Ich zählte nicht und sah niemanden an. Nach einer langen, sehr langen Zeit ließ die klappernde und klirrende Geschäftigkeit um mich herum nach. Dann war es still. Ein Gesicht beugte sich über mich. Blaßblaue Augen fixierten mich aufmerksam. „Bist du bereit?“, fragte der zu den blaßblauen Augen gehörende Mund. „Ja“, antwortete ich ruhig und leise, „ich bin bereit. Löscht mir die Augen und danach löscht mir den Kopf und dann, dann löscht mir das Herz.“

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Donnerstag, 15. März 2007


Der einzig wahre Grund

„IM MORGENGRAUEN, ALS DIE VON OSTEN AUFSTEIGENDE HELLIGKEIT, GANZ LANGSAM BEGANN, DIE BIS DAHIN UNDURCHDRINGLICHE DUNKELHEIT AUFZUBRECHEN....“
Angewidert schmiss sie das Buch vor sich über die Tischplatte. „Einen Scheißdreck interessiert es mich, was dann passiert!“
Wann würde er endlich verstehen, dass sie solche Schnulzen nicht leiden konnte?
Wann würde er auch nur irgendetwas verstehen?!Ihre Gedanken endlich auch nur im Ansatz zur Kenntnis nehmen? Wann würde er sie als weibliches Wesen wahrnehmen? Wann?
Keine Frau träumte von derartigem Kitsch, wie er dort auf die geduldig ausharrenden Seiten gepresst war! Schwachsinn!
Aber alle träumten sie von Geist, Verstand. Eine Tragik, die Männer nie verstehen würden.

Er war so erbärmlich.

Sein unterforderdes Hirn begnügte sich, den Unterschied zwischen Pizza und Piazza nicht zu vergessen. Jedoch schon bei der simplen Frage nach einer stupiden Sportschuh-Marke, die sich im Glanz der namensgebenden griechischen Göttin des Sieges sonnen durfte, schien sich jede einzelne Synapse seines absterbenden Gehirns, heroisch zu sträuben, auch nur im Entferntesten daran zu denken, dass vielleicht nicht Adidas, sondern Nike gemeint sein könnte.

Wie war er eigentlich gerade auf dieses Buch gekommen?! Hatte er seinen neuerlichen Versuch, ein gewisses kulturelles Grundrauschen in sein Wesen einzubauen, etwa von der Farbwahl des Einbandes ausgehend gestartet?
‚Wenn ja’, so fragte sie sich: ‚hatte diese pelzartige spielplatzgrüne Hülle ihn so in den Bann gezogen, dass die neonfarbigen gelben Kringel - welche sie an einen Stein erinnerten, der in einem See seine Kreise zog - leichtes Spiel hatten, in sein Kleinhirn vorzudringen, um ihn dort seines zähen Geschmacks und dem verkommenen Rest eigenen Entscheidungskraft vollends zu berauben?’
Glaubten Männer wirklich, Frauen mögen Bücher, die sich schon auf den ersten vier Zeilen als solch unverschämter Kitsch herausstellten, dass selbst das zitternde Liebesspiel von Sissi und Franz als Höchstleistung des Kafkaesken in schillerndem Glanz erschienen?

Mit einem müden Ton ersterbender Selbstverteidigung knallte das Buch gegen ihr halbvolles Weinglas.
Immer noch zornig stand sie auf und ging um den riesigen Küchentisch.
Die Küche strahlte in eisigem Weiß. Zusammen mit der kirschroten Oberfläche dieses Tisches, welche an einen sturmverhangenen Sonnenuntergang hinter den Klippen von Guernsey erinnerte, war dieser riesige Raum an Eleganz und Klarheit nicht zu übertreffen.
„Wenigstens das hast du hinbekommen. Du Narr.“
In diesem protzigen Überbleibsel altmonarchischer Baukunst war dies immer ihr Lieblingsraum gewesen. Hier, irgendwo am Ende des Nichts, wo aufkriechende Kälte von jedem Besucher sofort Besitz ergriff, wenn er auch nur einen Fuß über die Eingangsschwelle setzte, und Wahnsinn nur einen Schritt entfernt war.

Sie nahm ihr Glas und ging auf die Terrasse. Sein ungläubiger Blick folgte ihr tonlos.
„Was hätte ich denn tun sollen?“ schalt sie ihn. „ Wie hätte es weiter gehen sollen? Kannst Du mir das sagen?“, schrie sie. Ihre Hand schnellte in die Höhe als wolle sie einem Vogel den Kopf herunterschlagen. Erschrocken und kraflos ließ sie den Arm wieder sinken. Selbst die kalte Nachtluft vermochte ihr Gesicht nicht zu kühlen.
Ihr unsteter Blick fiel wieder auf ihre Hand. Warum hörten diese Finger nicht endlich auf zu zittern?
Sie leerte das Glas in einem Zug und ging zurück in die Küche.

Seine Augen erwarteten sie bereits. Genau wie sein Mund - ohne Regung; ohne Antwort auf ihre Fragen.
Sie füllte ihr Glas erneut und seufzte leise beim ersten Tropfen, der ihre Kehle hinunter glitt. Der beerige Geschmack des Weines stimmte sie versöhnlich und sie begann, erschöpft zu lächeln. „Die letzte Flasche für mich. Schade.“
Ihr Lächeln blieb während sie zu ihm ging. Sie ließ sich neben ihm auf der sündhaft teuren geschmacklosen Ledercouch nieder.
Zärtlich raunte sie ihm in sein Ohr: „Du weißt, daß ich dich einmal habe dich geliebt habe. In einem anderen Leben.“ Ihre Augenlider senkten sich und plötzlich zischte sie leise hervor: „Aber Du, Du konntest mir mein Leben nicht lassen. Hast es verhöckert, wie bei einem Wettrennen.“ Er starrte sie nur an.
Sie hatte verstanden.
Kälte kroch ihren Rücken nach oben.
„Uns bleibt nicht mehr viel Zeit“, sagte sie ruhig und wandte sich von ihm ab. „Ich höre sie kommen.“
‚Komisch, wie langsam in solchen Momenten die Zeit vergeht.’ Ihr kam es vor als wären seit ihrem Anruf bereits Stunden vergangen.
„Sie haben mich noch nicht mal gefragt, warum. Haben nur gesagt, sie wären gleich da und ich solle bei dir bleiben.“ Sie musste grinsen. Als würde sie jetzt noch weg gehen. Lächerlich. Die Würfel waren gefallen. Sie würde nicht weglaufen. Nie wieder.

Sie hatte seine Augen immer gemocht. Doch heute, jetzt, hier... Sie waren leer, starr, farblos. Tot.
Er machte sie wütend. Ruckartig stand sie auf. „Interessiert denn Keinen, warum?! Zum Teufel!“
Diese Augen! Sie sollten aufhören, sie anzustarren!

Ihre Beine trieben sie zum Fenster, während sie ihre fremde Stimme, die aus ihrem Mund zu kommen schien, sagen hörte: „Frage mich, wer diese Schweinerei hier wegmachen wird.“
Sie küsste seine Stirn und er glaubte ihr, dass sein Verhalten für sie kein anderes Tun möglich gemacht hatte. Sie hatte überhaupt keine andere Chance gehabt.
Als sie mit einem kräftigen Ruck das riesige Küchenbeil aus der roten und unförmigen Kuhle, die vormals sein Unterleib gewesen sein musste, herauszog, glaubte sie, ein letztes Mal ein kämpfendes Glimmen in seinen Augen zu sehen. Dann war es verschwunden.
Stattdessen begann ihr persönlicher Stummfilm: Fremde Menschen rannten ihr schreiend entgegen, rissen ihr das Beil aus der Hand und zogen sie harsch von ihm weg.
‚Als ob ich mit dem Beil jemanden verletzen könnte. Diese Narren.’

Im Morgengrauen, in einem kleinen, grauen Zimmer mit hölzernen Stühlen und ohne Klimaanlage hörte sie die Frage, auf die sie so gewartet hatte: „Warum haben Sie das getan? Warum haben Sie Ihren Mann erschlagen?“

Sie lächelte ein letztes Mal das Lächeln einer freien Seele. „Dumm. Er war dumm.“

Maerz 2007  ... link








Freitag, 2. März 2007


Danke

Erneut habe ich zu danken.

Danke für die rege Beteiligung an alle Autorinnen, Autoren, Leserinnen und Leser. Natürlich geht noch ein besonderer Dank an alle, die meine Geschichte gewählt haben.

Und nun will ich schnell noch vor dem Wochenende, damit alle Autorinnen und Autoren sich schon Gedanken zur ihrer nächsten Geschichte machen können, einen neuen Satzbeginn präsentieren. Ich habe es mir leicht gemacht. Von meinen vier Ideen, die vom letzten Mal noch übrig waren, habe ich einfach Eine ausgewählt.

Hier also ist nun der Satzanfang für den Monat, in dem der Frühling beginnt:


"Im Morgengrauen, als die von Osten aufsteigende Helligkeit ganz langsam begann die bis dahin undurchdringliche Dunkelheit aufzubrechen, .."


Uns allen wünsche ich einen guten Monat März und ich freue mich auf die neuen Geschichten.

Maerz 2007  ... link