Samstag, 26. Juli 2008
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Natürlich war er wütend über sich. Was für ein lausiger Job, den er da wieder abgeliefert hatte. Und es wurde immer schlimmer. Diesmal hatte er drei Versuche gebraucht. Drei! Ein Trauerspiel. Wehmütig dachte er an die guten alten Zeiten, als er noch alles im Griff gehabt hatte. Damals lief alles rund, er benötigte keine "Versuche", er schaffte es beim ersten Mal. Job erledigt, Glückwünsche vom Boss und dann heim zu Frau und Kind. Vielleicht noch auf einen Absacker zu Randy's, ein bisschen mit den Jungs quatschen, von den eigenen Heldentaten prahlen und den Geschichten der anderen lauschen.

Er ging nicht mehr oft zu Randy's. Die Jungs wurden älter und er mit ihnen. Es gab nicht mehr viele Heldentaten, von denen man berichten und noch weniger, die man sich anhören konnte. An der schweren Eichentischen saß jetzt die nächste Generation, die Nachfolger. Einige kannte er von klein auf. Er hatte ihre Mütter gegrüßt, wenn er sie auf der Straße traf, wo sie die Kinderwägen unter den Schatten spendenden Markisen der Händler entlang schoben, um die Kleinen vor der prallen Mittagssonne zu schützen. Jetzt saßen diese Kleinen an seinem Tisch, erzählten sich von der Arbeit; die Sorte Arbeit, die früher seine war.

Er bekam nicht mehr viele Aufträge und wenn waren es die kleinen Fische. Einfache Jobs, die jeder übernehmen konnte. Oder zumindest übernehmen können sollte. Er schüttelte den Kopf und grummelte wütend vor sich hin. Drei Versuche! Was für eine Schande. Und wie so oft in letzter Zeit kam wieder der Gedanke ans Aufhören in ihm hoch. Sollte doch jemand anders den Job machen. Einer von den Jungspunden bei Randy's vielleicht. Eigentlich war es ihm egal, wer es machte, Hauptsache nicht er. Beim Herausfischen einer Zigarette betrachtete er seine Hände. Es kam ihm so vor, als entdeckte er jeden Tag einen neuen Fleck auf ihnen. Altersflecken, was für ein passender Name, dachte er sich und zündete die Zigarette an. Als wären die Sommersprossen, die in seiner Jugend jeden Sommer sein Gesicht belagerten durch den Körper in die Hände gewandert - und hätten dabei ihren Glanz verloren.
Ja, vielleicht sollte er wirklich aufhören. Den Jungen Platz machen und sich zur Ruhe setzen. So war schließlich der Lauf der Dinge. Man macht seinen Job, man wird alt, es kommen Jüngere, die es besser machen, man hört auf und setzt sich zur Ruhe. So war es schon immer und so würde es auch immer sein. Warum sollte er sich das alles noch antun, zumal man ihm ohnehin nur solche Kleinaufträge zutraute.

DIe Entscheidung war gefallen, als er sich seine Arbeit betrachtete. Aus dem Einschussloch an der Schulter versiegte ein letzter Blutstrom, das Hemd war blutgetränkt vom Bauchschuss. Erst beim dritten Mal hatte er das Herz getroffen und Gulio endlich getötet, wie es von ihm verlangt wurde. Der Ärmste hatte geglaubt, er könne den großen Chef hintergehen und sich vor den Schutzgeldzahlungen drücken, aber da hatte er den Paten falsch eingeschätzt. Wenn man so etwas versuchte, konnte man sicher sein, das bald Besuch vor der Tür stehen oder man bei einem Spaziergang im Park unschön überrascht wird. Mit etwas Glück geht es dann schnell - oder man erwischt einen alten Mann, der zu alt war für diesen Job. Gulio hatte Pech.

"Scusi. Das hätte schneller gehen müssen", sagte der Mann zu dem leblos vor ihm liegenden Körper. "Es tut mir leid. Aber ich bin fast sicher, dass sie meinem Boss nichts verraten werden."

Achtlos warf er das abgebrannte Streichholz auf den Weg und spazierte zum Ausgang des Parks, wo er seinen Wagen geparkt hatte. Vielleicht fahre ich noch kurz zu Randy's, dachte er sich. Mal hören, was der Nachwuchs so zu berichten hat.