Sie suchten den Sonnenhonig um ihn dem König zu kredenzen, auf dass er einen angemessenen Brotaufstrich zum Frühstück habe. Nachdem sie die wichtigste Zeremonie, nämlich das Aufstehen mit allem erdenklichen Pomp hinter sich gebracht hatten, war einfach Nussnougataufstrich nun wirklich nicht das Wahre. Vollkommen altmodisch und letztendlich auch unpraktisch. Denn nachdem der Kammerdiener mit Hilfe des besten und angesagtesten Coiffeurs den eleganten Schnurrbart des Königs in Form gezwirbelt hatten, zerstörte sich der König die ganze Pracht regelmäßig mit dem nussig, dicken Aufstrich. Eine Schmach.
Auch deshalb war die gesamte Dienerschaft vollkommen begeistert von dem Plan dem König Sonnenhonig aufzutischen. Der Coiffeur nickte sogar beifällig und meinte zu einem der Kammerzofen der Königin, dass die natürlichen Peptide gut für die Haut des Königs wären und außerdem unterstreiche die Honigfarbe auch das goldene Blond des Königs. Und selbst die klebrige Konsistenz lobte er, denn diese würde dem Bart Halt geben, so dass selbst nach Stunden der König gepflegt und würdig aussehen würde. Und er fügte endlich hinzu, die Kammerzofe begehrlich von oben herab anblickend, wobei er einen herrlichen Blick in ihr pralles Dekolleté werfen konnte, „Denn ein gepflegter Schnurrbart, sowie die prächtigen Locken der Perücke drücken vor allem anderen, selbst vor dem prächtigen Hermelinbesatz an seinem Mantel, seine Souveränität und Herrlichkeit aus. Davon bin ich durch und durch überzeugt!“
Also wurden die Herolde ausgeschickt und riefen das Gesuch des Königs aus, natürlich mit allem Drum und Dran. Es gab eine ordentliche Belohnung für den, der jemanden kannte, der wusste wo dieser Sonnenhonig zu finden sei oder für den, der Hinweise hätte über Verbleib, aber auch Kenntnis von jemanden, der wiederum wisse wie der Sonnenhonig zu finden sei. In kürzester Zeit suchte das ganze Land den Sonnenhonig und fand dabei so manches Ei, welches über Ostern verschütt gegangen war. Doch auch andere Dinge wurden gefunden, so dass ein ganz neuer Beruf entstand, nämlich der des Fundhändlers.
Den Sonnenhonig fanden sie allerdings nicht.
Das lag sehr wahrscheinlich daran, dass keiner so genau wusste was ein Sonnenhonig so genau war. Aber das störte das Volk bei ihrer Suche überhaupt nicht. Wie das alte Waschweib Maria erklärte, „Ich weiß auch nicht so recht was ein König eigentlich ist, aber wenn ich ihn sehe weiß ich wer er ist.“
So wie das Waschweib dachten viele. Nur ein paar Gelehrte meinte, dass dies einfach nicht der richtige Weg sein könne. Einer versuchte dem Problem mit einer phänomenalen Gleichung mit einem Unbekannten auf dem Leib zu rücken. Andere wiederum schlossen sich zu einem Symposium zusammen und versuchten dem Geheimnis des Sonnenhonigs anhand philosophischer Grundlagen zu entschlüsseln. Jahre später sollte es eine philosophische Richtung daraus entstehen, mit dem Leitspruch: „Ich weiß es doch nicht!“
Aber in ihren Anfängen waren sie noch nicht so resigniert und versuchten dem Problem mit allen philosophischen Mitteln zu Leibe zu rücken. Eine Splittergruppe ging so weit in ihren Gedankengängen, dass sie behaupteten, dass das Problem nur mit der Abschaffung des Königs, ja, mit der gesamten Monarchie, zu lösen sei.
Die Splittergruppe wurde am nächsten Morgen aufs Schafott gebracht.
Derweil hatte der König sein Ansuchen vollkommen vergessen, nicht nur, dass er mit seinem Feldmarschall wichtige Truppenversetzungen zu planen hatte, nein, er hatte auch noch hohen Besuch von seiner liebsten Cousine. Sie war etwas älter als er und eine Cousine dritten Grades und von all seiner Verwandtschaft ihm die liebste von allen. Was vielleicht auch daran lag, dass sie es war, der ihm zeigte wie er einen Thron zu besteigen habe ohne sich zum Trottel zu machen und in die Geheimnisse der körperlichen Liebe einwies.
„Oh meine liebe Odette!“, rief er aus und sprang von seinem großen, goldenen Arbeitstisch auf und schickte den Feldmarschall mit einem kurzen Schwenken der Finger hinaus.
Odette, die entzückende Herzogin, knickste in einem eleganten Hofknicks und ließ gekonnt eine gepuderte Locke in ihr ebenfalls duftend pudriges Dekolleté gleiten. Der König lächelte dümmlich. Eine Angewohnheit, der er eigentlich mit dem Knabenalter schon abgelegt hatte, aber in Anwesenheit der Herzogin Odette immer wieder zum Vorschein kam.
Odettes Kopf war leicht zu Boden gesenkt und mit ihrer sahnig weichen Stimme fragte sie, „Wie ist das Befinden Eurer Königlichen Hoheit?“
Nach einem Blick auf sein Lächeln wagte sie mit wieder gesenktem Blick weiter zu sprechen, „Ich habe mir erlaubt Euch ein kleines Präsent vom Lande mitzubringen. Es soll Euch erinnern, dass auf meinem Landsitz auch immer Platz für Euch ist. Ja, der ganze Landsitz und alle Menschen darin warten nur um Euch zu Gefallen zu sein!“
„Meine liebe Odette!“, er reichte ihr seine Hand um ihr aus dem tiefen Hofknicks aufzuhelfen und ließ seine Hand besitzergreifend auf ihren Arm, als er sie zu einer Chaiselounge führte.
„Das wäre doch wirklich nicht nötig gewesen“, stellte er fest, während er nach dem Setzen ihr half die Falten ihres Rockes zu drapieren.
„Wo ist es denn?“, fragte er und strafte so seine vorigen Worte Lügen.
Odette viel zu gut erzogen ihn darauf aufmerksam zu machen lächelte ihn nur kokett an, immer mit leicht geneigtem Kopf, denn ihre Zähne waren einen Hauch schief. Sie gab einem livrierten Diener an der Tür ein Zeichen, der sofort hervortrat und ein Glas mit prächtigen Silberarbeiten, welche durch ihre feinen Ajourarbeiten das Glas dahinter freigaben, auf einem Silbertablett der Herzogin reichte.
Der König sah den gelb, goldenen Inhalt, der umso mehr farbige Tiefe besaß, als die Herzogin das Glas ergriff und ins Licht hielt.
„Odette, dass ist doch wohl nicht der Sonnenhonig?“
Etwas irritiert hielt die Herzogin inne, dann fasste sie sich und reichte ihm das Glas weiter. „Es heißt wie Ihr wollt, doch meine Köchin nennt es schlicht Quittengelee.“
Ab diesem Tage schwor der König dem Nussnougataufstrich ab und genoss nur noch das Quittengelee seiner guten Freundin.
Viele waren enttäuscht, denn sie hatten lange gesucht und hatten von der großen Belohnung, dem Ruhm und der Ehre geträumt, wenn sie dem König das neue Elixier übergeben dürften. Aber die Herzogin, die sowieso schon so hoch in der Gunst des Königs stand hatte ihnen allen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Und so mancher wünschte sie die Hexenverbrennung wieder herbei.
Nur der Coiffeur war hochzufrieden. Nach einem Schäfterstündchen mit der Kammerzofe ordnete er wieder die Rüschen seines Hemdes und ließ sich zu einem weiteren Kuss hinreißen.
„Ich liebe dieses Quittengelee, fast so sehr wie dich, denn jetzt habe ich viel mehr Zeit. Das Quittengelee hat alle Eigenschaften, die dem Sonnenhonig zugeschrieben wurden, so dass ich überzeugt bin, dass es sich bei dem Quittengelee nur um den Sonnenhonig selbst handeln kann. Und damit basta.“