Sonntag, 18. Mai 2008
Reden

"Ich weiss nicht, was ich dazu sagen soll."
Ohne ihn anzusehen, stellte sie den sauberen Teller in das Abtropfgestell und griff nach dem nächsten. Scheinbar vertieft drehte sie mit dem Geschirrschwamm ihre Runden.

Unschlüssig, verlegen fast stand er mit dem zerknüllten Geschirrtuch zwischen den Händen und drehte es wie einen Ball. Um die Illusion perfekt zu machen, deuteten seine zuckenden Füsse ein Dribbeln an. In der Halle, so wusste er, würde er den Ball jetzt sauber in den Korb setzen. Alles an ihm, einschliesslich seiner Zunge, die mit steigender Geschwindigkeit die Oberlippe leckte, war nun Spannung.
So einfach war das für sie und selbstverständlich gelogen. Es
g a b nichts, wozu sie nichts zu sagen hatte. Sie konnte reden bis ihm der Kopf schmerzte, morgens vom Aufstehen bis abends zum Einschlafen.

Sie beobachtete ihn aus dem Augenwinkel.
Als ob er gleich in die Hosen macht. Soll er doch etwas sagen. Kämpfen, die richtigen Argumente bringen. Sie überzeugen. Aber nein: Steht da, zappelnd wie ein Hosenpisser! Wie denn, glaubte er, soll man mit so einem eine solche Sache durchziehen?
Dabei liesse sie sich nur zu gern überzeugen. Aber nicht sofort. Dazu war das zu gross, dauerte zu lange, erforderte zu viel Beharrlichkeit, als dass man gleich beim ersten Andeuten zustimmen könnte.

Warum überhaupt stellte sie sich so an? Er wusste doch, dass sie es wollte. Alles schien in Ordnung.
Die Geschirrtuchkugel sass perfekt in seiner Hand. Er presste sie so stark zusammen, dass die Adern bis zum Unterarm hervortraten. Die Kugel in das Becken werfen, sie aufwecken aus ihrer Lethargie. Er hob die Hand, entspannte sich jedoch im letzten Moment, liess das Tuch auf den Stuhl fallen, drehte sich um, ging aus der Küche.

"Siehst du!", rief sie ihm im Gedanken höhnisch hinterher. "Wie kann ich wissen, dass du nicht gleich beim ersten Problem genauso davonläufst?" Eine einzelne Träne tropfte ins Abwaschwasser. Sie hätte es so sehr gewollt. Aber wahrscheinlich würde er nie wieder darüber sprechen.