"Das kannst du nicht tun", rief ich atemlos...und starrte entsetzt auf den kleinen Weihnachtsengel. Zerbrochen lag er da, auf dem Boden. Sie hatte ihn in ihrer Wut gegen die Wand geschleudert. Der rechte Flügel lag einsam auf dem Boden, das goldene Kleid hing in Fetzen an dem Strohkörper. Wie ein Symbol lag er da. Ein Symbol für das, was einmal war und heute nicht mehr ist. Unsere Ehe, die Liebe, die wir miteinander geteilt hatten und die sich irgendwann und irgendwie davon geschlichen hatte. Fassungslos standen wir beide da, standen vor dem kleinen Strohengel und wussten in diesem Augenblick beide, dass es vorbei war.
Unsere Kinder hatten ihn gebastelt. An einem Wintertag wie heute. Im Kamin flackerte ein helles Feuer, die Adventskerzen warfen ein zartes Licht an die Küchenwand. Auf dem Tisch stapelten sich Stroh, Stoff und andere Utensilien.
Die Kinder lachten und sie strahlte mich an, mit ihren wunderschönen Augen. Draussen lag der Schnee auf den Dächern und drinnen war es warm. Damals, es war ein Sonntag kurz vor Weihnachten, hatten die Kinder den Strohengel gebastelt. Seitdem stand er jedes Jahr auf dem Kamin. Als ein erster Vorbote für die Weihnachtszeit und als ein Symbol, für unsere Familie, für das Glück, das wir miteinander teilten. Damals waren wir noch glücklich.
Dezember 2006 ... link
"Das kannst Du nicht tun!" rief ich atemlos, eher schon fassungslos. Dann sagte ich nur ganz ruhig "Nein", in dem ich auf seinen erhobenen Arm starrte.
Wir kannten uns drei Jahre, für beide war es die große Liebe gewesen, doch diese war in den letzten Monaten der Streitereien völlig verloren gegangen.
Unsere Wortgefechte steigerten sich zusehenst, keiner konnte nachgeben, jeder wollte Recht behalten. Aus Liebe war ein Kleinkrieg geworden.
" Du machst mich rasend " schrie er völlig außer sich, als seine Hand auf meiner Wange landete.
Dann war Stille, wir blickten einander nur an, es war eine Grenze übertreten worden.
Ich spürte den Schmerz kaum, guckte ihn nur an und merkte, wie die Leere sich weiter in mir ausbreitete.
Ohne einen Ton zu sagen, drehte ich mich um und ging hinaus.Ich hatte den Respekt vor ihm
verloren.
...und das "Ich wollte es nicht, tut mir leid" verhallte in dem Echo meiner sich entfernenden Schritte ...
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"Das kannst du nicht tun", rief ich atemlos, "Das solltest du nicht sagen." Und als ich ihren entsetzen Blick sah und die Tränen, die in ihren Augen glitzerten, wurde mir klar, was ich getan hatte. Mit zittriger Hand nahm sie sich eine Zigarette aus der fast leeren Schachtel, zündete sie sich an und rauchte still vor sich hin, den Blick von mir abgewandt. Ein verrückter Tag, gegensätzlich, erst Leben und dann dieses jähe Ende.
Wir hatten uns beide frei genommen, wollten endlich einen gemeinsamen Tag verbringen, Träume, die wir gemeinsam träumten, in die Tat umsetzen, leben und lieben, nur dieses eine Mal. Sie holte mich mit dem Auto ab, aus den Boxen tönte AC/DC, wir rauchten und schwiegen, es war keine peinliche Stille, eher angespanntes Schweigen, Spannung, Ruhe vor dem Sturm. Sie raste über die Autobahn, ab und zu dachte ich daran, was wäre, wenn sie jetzt einen Unfall bauen würde, was, wenn ihr etwas passieren würde, wenn mir etwas passieren würde, die Welt würde zusammenbrechen, alles verloren gehen. Vielleicht nicht das schlechteste und trotzdem hatte ich ein wenig Angst. Wir fuhren weit hinaus aufs Land, fuhren irgendwann von der Autobahn ab, ich hatte meine Hand vorsichtig auf ihren Schenkel gelegt, Halt suchend, die Nähe tat gut, sie machte Lust auf mehr, viel mehr, sie schaute mich herausfordernd an, mit wildem Blick aus leuchtenden Augen, was würde heute noch passieren?
Wir hielten vor einem kleinen Häuschen, stiegen aus, es war noch kühl, hatte gerade noch geregnet, es roch nach Frühling. Sie kramte ein wenig in der Tasche und musste dabei lächeln, nein, sie hatte den Schlüssel nicht vergessen, irgendwann fand sie ihn und machte zögernd das Tor auf, dann die Tür, mit Bauernmalerei verziert, nun war sie entschlossen, endlich waren wir in ihrem Haus am See, ein Liebesnest, romantisch, wir traten ein und waren mit uns selbst gefangen. Sie zog die Vorhänge auf, so dass wir auf den See schauen konnten, der still vor dem Haus lag, keine Boote, ein paar Schwäne schwammen herum, wir küssten uns lange, ausgiebig und innig, sie hatte einen so wundervollen Mund, mit dem sie ebenso wundervoll küsste, es fühlte sich vollkommen an, vollkommen und einzigartig. Unsere Hände eroberten gegenseitig unsere Körper, sie war zierlich, schlank, hatte so unglaublich weiche und zarte Haut, wunderbar duftend, hauchdünne Wäsche, nach und nach zogen wir uns aus, ich streichelte ihre kleinen, schönen Brüste, sie war erregt, ich auch, ich atmete den Duft ihres Bauchnabels ein, sie stöhnte leise, zog mich an den Haaren sanft nach oben und bugsierte mich auf das schmale Bett. Wir wälzten uns nicht wild vor Lust, wir lagen nebeneinander und streichelten uns, schauten uns an, ohne etwas zu sagen, lange, sehr lange, es war fast wie ein Ritual, wir ließen uns Zeit, genossen es, genossen uns. Immer wieder küssten wir uns, mir wurde schwindlig, alles um mich herum drehte sich, ich stand an einem Abgrund und sie wusste, wie sie mich hinabstoßen konnte.
Wir liebten uns, heftig, lustvoll, intensiv, ohne Kompromisse, sie stöhnte laut dabei, ich auch, wir ließen uns gehen, treiben, kein Absturz, sanfter Flug und butterweiche Landung in einem dicken Federbett, wir schauten uns an, waren völlig außer Atem, glücklich, fast zufrieden, der Hunger war fürs erste gestillt, wir rauchten gemeinsam, schweigend, den Rauch an die alte, braune Holzdecke pustend, ab und zu schaute ich verträumt aus dem Fenster, dann schaute ich sie an, wie sie da lag, wundervoll, zerbrechlich, verführerisch, nackt und sie, sie schaute mich an und sagte diesen einen Satz, vor dem ich Angst hatte, den ich nicht hören wollte, den ich so gern erwidern wollte, aber nicht konnte. Ich liebe dich. "Das kannst du nicht tun", rief ich atemlos, "Das solltest du nicht sagen." Meine Erwiderung, anstatt zu nehmen, was ich nehmen wollte, stieß ich sie weg und ab hier verloren wir uns.
Auf der Rückfahrt betretenes Schweigen, AC/DC lief noch viel lauter, "Highway to hell", oh ja, Baby, nun sind wir in der Hölle, gelandet im Abgrund, eine harte Landung, ein einziger Satz und alles war verloren. Für dich, für mich. Nicht, dass ich ihn nicht hören wollte, nein, tief im Inneren wollte ich, dass du es sagst. Aber nicht laut, bitte, nur nicht laut. Es ist vorbei, du bist weg und ich raus aus dem Spiel, weil ich nicht kann, wie du es gerne hättest, jetzt noch ein paar verworrene Mails, ein paar Mal aneinander vorbeireden, sich auseinanderleben, obwohl man noch nicht einmal zusammen gelebt hatte, aus und vorbei, ich liebe dich und doch kann ich es nicht. Ein paar wilde Gedanken schossen mir noch durch den Kopf, unausgesprochen, bitteres Schweigen, meine Wangen glühten, irgendwann schmiss sie mich raus, wortlos, mit traurigem Blick, kein "Tschüss" und kein "Good bye", kein letzter Kuss, ja, du bist ein Engel, ich bin es nicht.
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"Das kannst du nicht tun" rief ich atemlos in mich hinein. Schon aus der Entfernung war mir sein mechanisch langsamer Gang in Richtung der Schienen aufgefallen. Einige Meter vor ihm kam die Straßenbahn mit einem ohrenbetäubenden Quitschen zum Halten. Ich rannte. Zusammen mit einem weiteren Passanten griff ich ihm unter die Arme und wir führten ihn zurück an seinen Verkaufsstand. Dann eine Lebensgeschichte in zwei Minuten. Frau gestorben. Arbeit verloren. Alkohol. Abends nie der direkte Weg zum Männerwohnheim. Immer der Umweg vorbei an der verlorenen Wohnung mit Blick in die erleuchteten Fenster. Wenn nur die Nächte nicht wären. Der Straßenbahnfahrer schüttelte ungläubig den Kopf. Nach dem Abendessen würde er diesen Vorfall seiner Frau erzählen. Die Version einer Geschichte von der Straße auf Recyclingpapier gedruckt für 1,20 Euro. Man gab dann doch 2 Euro, dem dann ein "Stimmt so. Ist schon in Ordnung" folgte. Nichts stimmte. Gar nichts.
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