Donnerstag, 4. September 2008


Über den Wolken

Kannst du mir mal die Schultern massieren, Wladi, fragte George mit einem zärtlichen Blick, während er diskret die Lederpeitsche unter das Bett schob.
Draußen dröhnten die Motoren der Northrop B-2 Spirit, während sie in 15.151 Meter Höhe und 1008 km/h über den Atlantik flogen. Dies hier war ein Tarnkappenbomber der USA, der sich ununterbrochen seinen Weg durch den Himmel bahnte, bestückt mit sechzehn B83, nuklearen Bomben mit 1,2 Mt Sprengkraft. Offiziell flogen andere Flugzeuge konstant diese Route, Jahrzehntelang, immer bereit für einen eventuellen nuklearen Schlag, in unmittelbarer Nähe zu potentiellen Zielen. Andere, kleinere Tarnkappenbomber. Doch die Northrop B-2 Spirit gab den Passagieren mehr Platz zur Verfügung, planmäßig für bis zu drei Personen, und nach einem heimlichen Umbau gab es nun noch sowohl einen bescheidenen Raum hinter dem Cockpit, in dem sich ein Bett und ein Fernseher befanden, sowie eine spezielle Vorrichtung an der Tür, die es ermöglichte, im Flug über ein Seilsystem weitere Personen aus einem parallel fliegenden Flugzeug aufzunehmen.

Dies hier war der geheime Treffpunkt und die Sexspielwiese von Wladimir und George.
Während der Autopilot seinem gelangweilten Dasein frönte, fesselte Wladi Georgi und peitschte ihn, oder Georgi fesselte Wladi, um ihn von hinten zu nehmen. Nachdem sie auf politischer wie privater Ebene durch emotionale Abstumpfung und träger Gewohnheit gleichgültig geworden waren, hatten sie nach Alternativen, nach Ergänzungen gesucht und das hier gefunden. Die Beiden waren wild und süchtig nach Schmerzen und Sex, seit Jahren gierten sie nach ihren Treffen in stiller Einsamkeit, die nur durch ihre Schreie und ihr Wehklagen und Stöhnen gebrochen wurde.
Das hier war echter Kontakt, wie er direkter kaum sein konnte. Wo der Gedanke an Streubomben über fernen Ländern kaum mehr als ein Muskelzucken entstehen lies, wo das Betrachten der Bilder in den Nachrichten wie das Lesen eines Romans wirkte – fremd, surrealistisch, fantastisch – da drängte sich das Verlangen nach Erfahrungen auf, die berührten. Gefühle.
Wahre Gefühle.
Schmerz und Lust und Verlangen und Schweiß auf der Haut, im Dröhnen der Motoren der Northrop B-2 Spirit, in 15.151 Meter Höhe und 1008 km/h über dem Atlantik.

Doch nun hatte George genug von Sado-Maso.
Er sehnte sich nach etwas Liebe und aufrichtiger Zärtlichkeit.
All sein Leben lang hatte er entweder gesoffen, oder sich den Aggressionen und der Macht hingegeben.
Er fühlte sich leer, so leer.
Kannst du mir mal die Schultern massieren, fragte er erneut, doch diesmal lag versteckte Trauer in seinen Augen.
Wladimir erhob sich nackt von dem Sitz im Cockpit, kratzte sich am Sack und kam mit einem verständnisvollen Lächeln auf ihn zu gelaufen. Er wusste genau, was Georgi wollte.
Dreh dich um, sagte er, betrachtete dann seinen Rücken und griff mit starken Händen nach den Schultern, knetete die Muskulatur weich. Georgi stöhnte leise, spürte die Spannung aus seinem Körper rinnen.
Du hast so feinfühlige Hände, flüsterte er, fühlte sich an seine Kindheit erinnert, an die Zeit, als alles noch so sauber gewesen ist. Als die Sonne geschienen hatte. Damals. Er hatte Basketball gespielt, nie getroffen und sich trotzdem gefreut. Er war so naiv gewesen, und so glücklich. Damals. Er spürte die Hände auf seinen Schultern, spürte sich ruhig werden. Damals. Als es ihm gut ging, ohne Verantwortung, wie war das schön.
Damals, bevor…

Etwas in ihm rumorte. Irgendein Blitz schlug ein, irgendwo da drinnen. George schrie auf. Dann lachte er. Er riss sich los, warf sich auf das Bett, griff darunter und holte die Peitsche heraus, wirbelte sie herum, lies sie knallen, kniete breitbeinig auf dem Bett, und seine Augen funkelten diabolisch, in Erwartung der nächsten Einheit wahrer Gefühle.

"Ich denke wir sind uns alle einig, die Vergangenheit ist vorbei."
("Ich habe versucht zu entkommen, offensichtlich hat es nicht funktioniert.")
George W. Bush

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Über den Wolken

Kannst du mir mal die Schultern massieren, Wladi, fragte George mit einem zärtlichen Blick, während er diskret die Lederpeitsche unter das Bett schob.
Draußen dröhnten die Motoren der Northrop B-2 Spirit, während sie in 15.151 Meter Höhe und 1008 km/h über den Atlantik flogen. Dies hier war ein Tarnkappenbomber der USA, der sich ununterbrochen seinen Weg durch den Himmel bahnte, bestückt mit sechzehn B83, nuklearen Bomben mit 1,2 Mt Sprengkraft. Offiziell flogen andere Flugzeuge konstant diese Route, Jahrzehntelang, immer bereit für einen eventuellen nuklearen Schlag, in unmittelbarer Nähe zu potentiellen Zielen. Andere, kleinere Tarnkappenbomber. Doch die Northrop B-2 Spirit gab den Passagieren mehr Platz zur Verfügung, planmäßig für bis zu drei Personen, und nach einem heimlichen Umbau gab es nun noch sowohl einen bescheidenen Raum hinter dem Cockpit, in dem sich ein Bett und ein Fernseher befanden, sowie eine spezielle Vorrichtung an der Tür, die es ermöglichte, im Flug über ein Seilsystem weitere Personen aus einem parallel fliegenden Flugzeug aufzunehmen.

Dies hier war der geheime Treffpunkt und die Sexspielwiese von Wladimir und George.
Während der Autopilot seinem gelangweilten Dasein frönte, fesselte Wladi Georgi und peitschte ihn, oder Georgi fesselte Wladi, um ihn von hinten zu nehmen. Nachdem sie auf politischer wie privater Ebene durch emotionale Abstumpfung und träger Gewohnheit gleichgültig geworden waren, hatten sie nach Alternativen, nach Ergänzungen gesucht und das hier gefunden. Die Beiden waren wild und süchtig nach Schmerzen und Sex, seit Jahren gierten sie nach ihren Treffen in stiller Einsamkeit, die nur durch ihre Schreie und ihr Wehklagen und Stöhnen gebrochen wurde.
Das hier war echter Kontakt, wie er direkter kaum sein konnte. Wo der Gedanke an Streubomben über fernen Ländern kaum mehr als ein Muskelzucken entstehen lies, wo das Betrachten der Bilder in den Nachrichten wie das Lesen eines Romans wirkte – fremd, surrealistisch, fantastisch – da drängte sich das Verlangen nach Erfahrungen auf, die berührten. Gefühle.
Wahre Gefühle.
Schmerz und Lust und Verlangen und Schweiß auf der Haut, im Dröhnen der Motoren der Northrop B-2 Spirit, in 15.151 Meter Höhe und 1008 km/h über dem Atlantik.

Doch nun hatte George genug von Sado-Maso.
Er sehnte sich nach etwas Liebe und aufrichtiger Zärtlichkeit.
All sein Leben lang hatte er entweder gesoffen, oder sich den Aggressionen und der Macht hingegeben.
Er fühlte sich leer, so leer.
Kannst du mir mal die Schultern massieren, fragte er erneut, doch diesmal lag versteckte Trauer in seinen Augen.
Wladimir erhob sich nackt von dem Sitz im Cockpit, kratze sich am Sack und kam mit einem verständnisvollen Lächeln auf ihn zu gelaufen. Er wusste genau, was Georgi wollte.
Dreh dich um, sagte er, betrachtete dann seinen Rücken und griff mit starken Händen nach den Schultern, knetete die Muskulatur weich. Georgi stöhnte leise, spürte die Spannung aus seinem Körper rinnen.
Du hast so feinfühlige Hände, flüsterte er, fühlte sich an seine Kindheit erinnert, an die Zeit, als alles noch so sauber gewesen ist. Als die Sonne geschienen hatte. Damals. Er hatte Basketball gespielt, nie getroffen und sich trotzdem gefreut. Er war so naiv gewesen, und so glücklich. Damals. Er spürte die Hände auf seinen Schultern, spürte sich ruhig werden. Damals. Als es ihm gut ging, ohne Verantwortung, wie war das schön.
Damals, bevor…

Etwas in ihm rumorte. Irgendein Blitz schlug ein, irgendwo da drinnen. George schrie auf. Dann lachte er. Er riss sich los, warf sich auf das Bett, griff darunter und holte die Peitsche heraus, wirbelte sie herum, lies sie knallen, kniete breitbeinig auf dem Bett, und seine Augen funkelten diabolisch, in Erwartung der nächsten Einheit wahrer Gefühle.

"Ich denke wir sind uns alle einig, die Vergangenheit ist vorbei."
("Ich habe versucht zu entkommen, offensichtlich hat es nicht funktioniert.")
George W. Bush

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