"Das kannst du nicht tun", rief ich atemlos, "Das solltest du nicht sagen." Und als ich ihren entsetzen Blick sah und die Tränen, die in ihren Augen glitzerten, wurde mir klar, was ich getan hatte. Mit zittriger Hand nahm sie sich eine Zigarette aus der fast leeren Schachtel, zündete sie sich an und rauchte still vor sich hin, den Blick von mir abgewandt. Ein verrückter Tag, gegensätzlich, erst Leben und dann dieses jähe Ende.
Wir hatten uns beide frei genommen, wollten endlich einen gemeinsamen Tag verbringen, Träume, die wir gemeinsam träumten, in die Tat umsetzen, leben und lieben, nur dieses eine Mal. Sie holte mich mit dem Auto ab, aus den Boxen tönte AC/DC, wir rauchten und schwiegen, es war keine peinliche Stille, eher angespanntes Schweigen, Spannung, Ruhe vor dem Sturm. Sie raste über die Autobahn, ab und zu dachte ich daran, was wäre, wenn sie jetzt einen Unfall bauen würde, was, wenn ihr etwas passieren würde, wenn mir etwas passieren würde, die Welt würde zusammenbrechen, alles verloren gehen. Vielleicht nicht das schlechteste und trotzdem hatte ich ein wenig Angst. Wir fuhren weit hinaus aufs Land, fuhren irgendwann von der Autobahn ab, ich hatte meine Hand vorsichtig auf ihren Schenkel gelegt, Halt suchend, die Nähe tat gut, sie machte Lust auf mehr, viel mehr, sie schaute mich herausfordernd an, mit wildem Blick aus leuchtenden Augen, was würde heute noch passieren?
Wir hielten vor einem kleinen Häuschen, stiegen aus, es war noch kühl, hatte gerade noch geregnet, es roch nach Frühling. Sie kramte ein wenig in der Tasche und musste dabei lächeln, nein, sie hatte den Schlüssel nicht vergessen, irgendwann fand sie ihn und machte zögernd das Tor auf, dann die Tür, mit Bauernmalerei verziert, nun war sie entschlossen, endlich waren wir in ihrem Haus am See, ein Liebesnest, romantisch, wir traten ein und waren mit uns selbst gefangen. Sie zog die Vorhänge auf, so dass wir auf den See schauen konnten, der still vor dem Haus lag, keine Boote, ein paar Schwäne schwammen herum, wir küssten uns lange, ausgiebig und innig, sie hatte einen so wundervollen Mund, mit dem sie ebenso wundervoll küsste, es fühlte sich vollkommen an, vollkommen und einzigartig. Unsere Hände eroberten gegenseitig unsere Körper, sie war zierlich, schlank, hatte so unglaublich weiche und zarte Haut, wunderbar duftend, hauchdünne Wäsche, nach und nach zogen wir uns aus, ich streichelte ihre kleinen, schönen Brüste, sie war erregt, ich auch, ich atmete den Duft ihres Bauchnabels ein, sie stöhnte leise, zog mich an den Haaren sanft nach oben und bugsierte mich auf das schmale Bett. Wir wälzten uns nicht wild vor Lust, wir lagen nebeneinander und streichelten uns, schauten uns an, ohne etwas zu sagen, lange, sehr lange, es war fast wie ein Ritual, wir ließen uns Zeit, genossen es, genossen uns. Immer wieder küssten wir uns, mir wurde schwindlig, alles um mich herum drehte sich, ich stand an einem Abgrund und sie wusste, wie sie mich hinabstoßen konnte.
Wir liebten uns, heftig, lustvoll, intensiv, ohne Kompromisse, sie stöhnte laut dabei, ich auch, wir ließen uns gehen, treiben, kein Absturz, sanfter Flug und butterweiche Landung in einem dicken Federbett, wir schauten uns an, waren völlig außer Atem, glücklich, fast zufrieden, der Hunger war fürs erste gestillt, wir rauchten gemeinsam, schweigend, den Rauch an die alte, braune Holzdecke pustend, ab und zu schaute ich verträumt aus dem Fenster, dann schaute ich sie an, wie sie da lag, wundervoll, zerbrechlich, verführerisch, nackt und sie, sie schaute mich an und sagte diesen einen Satz, vor dem ich Angst hatte, den ich nicht hören wollte, den ich so gern erwidern wollte, aber nicht konnte. Ich liebe dich. "Das kannst du nicht tun", rief ich atemlos, "Das solltest du nicht sagen." Meine Erwiderung, anstatt zu nehmen, was ich nehmen wollte, stieß ich sie weg und ab hier verloren wir uns.
Auf der Rückfahrt betretenes Schweigen, AC/DC lief noch viel lauter, "Highway to hell", oh ja, Baby, nun sind wir in der Hölle, gelandet im Abgrund, eine harte Landung, ein einziger Satz und alles war verloren. Für dich, für mich. Nicht, dass ich ihn nicht hören wollte, nein, tief im Inneren wollte ich, dass du es sagst. Aber nicht laut, bitte, nur nicht laut. Es ist vorbei, du bist weg und ich raus aus dem Spiel, weil ich nicht kann, wie du es gerne hättest, jetzt noch ein paar verworrene Mails, ein paar Mal aneinander vorbeireden, sich auseinanderleben, obwohl man noch nicht einmal zusammen gelebt hatte, aus und vorbei, ich liebe dich und doch kann ich es nicht. Ein paar wilde Gedanken schossen mir noch durch den Kopf, unausgesprochen, bitteres Schweigen, meine Wangen glühten, irgendwann schmiss sie mich raus, wortlos, mit traurigem Blick, kein "Tschüss" und kein "Good bye", kein letzter Kuss, ja, du bist ein Engel, ich bin es nicht.
Dezember 2006 ... link