Tatsächlich sind zwei Texte zusammengekommen, sodass ihr abstimmen könnt.
Hoffen wir mal, dass die Schreibwerkstatt so langsam in Fahrt kommt und im nächsten Monat noch ein paar Texte mehr dazukommen.
Etwas verspätet, aber trotzdem da!
Der Schuss
Wortlos
Insgesamt: 100% (7 Stimmen)
Diese Abstimmung wurde am 2009.04.04, 00:52 beendet.
Edit:
Heute um 21 Uhr (02. Aprol) wird die Wertung geschlossen.
Maerz 2009 ... link
"Das lasse ich nicht zu!" Empörung troff aus seiner Stimme, in dicken Tropfen klatschte sie auf den Boden. Die Tropfen zerstoben zu feinen Säurespritzern, brannten sogar kleine Löcher in den Untergrund. Völlig ungerührt zog sie an ihrer Zigarette. Blickte nur kurz auf, spöttisches Grinsen in den Augen: „Na und, wer fragt Dich?“
„Aber das kannst Du nicht tun. Du darfst mich nicht verlassen, hörst Du!“ Nun mischte sich ein leises Flehen in die Stimme, die Worte knieten sich auf den Boden, hoben die kleinen Stummelärmchen wie zum Gebet. Amüsiert betrachtete sie die Wortclowns, tippte sie leicht mit der Spitze ihres Pumps an und stieß dann zu. Puff, da rollten die Clowns über den Boden und versteckten sich schnell unter dem Sessel, auf dem er saß.
„Aber ich brauche Dich doch.“ Nun also leichte Resignation, die sich wie ein feiner Hauch in der Luft verbreitete, mit einem etwas abgestandenen Aroma, das dezent in der Nase biss. Sie schaute ihn an, er war offensichtlich verzweifelt. Zumindest deutete sie so seine Erscheinung, sie wusste nicht mehr, was Verzweiflung ist. Hatte vor Hundert Jahren das Fühlen verlernt, konnte sich schon an die meisten Gefühle nicht einmal mehr erinnern, aber die großen Gefühle erkannte sie noch, auch wenn sie ihr gleichgültig waren. Mit gelangweilter Stimme entrang sie sich einen Kommentar: „Ach ja? Tatsächlich? Und selbst wenn.“
Er hob den Kopf. Wieder diese leeren Augen. „Warum? “ fragte er müde. „Du hast mir das Sehen genommen. Du hast mir das Lachen genommen, mein Herz habe ich Dir gegeben und nun willst Du einfach gehen? “ Diesmal lag Schmerz in der Stimme. Ein Schmerz, der sich in kleinen Blitzen entlud, einige trafen die Wortclowns, die zuckend auf dem Teppich verendeten. Sie mochte diese kleine Szene. Schmerz drang noch zu ihr durch, der war stark genug, sie musste ihn noch ein wenig provozieren. „Dein Herz, ach ja? Lass den metaphorischen Mist, der blutpumpende Muskel steckt immer noch in Deiner Brust, ich will ihn gar nicht haben!“ Sie glitt vom Barhocker, griff nach den Zigaretten und steckte sich eine an. „Das Lachen hast Du doch gar nicht gebraucht und ohne Augen funktioniert das ohnehin nicht.“
Er zuckte zusammen. „Du bist ja wohl das roheste Geschöpf der Welt.“ Fassungslosigkeit sprang kopflos aus seinen Worten, taumelte durch den Raum, stieß gegen Möbel und brach in sich zusammen. „Warum bist Du so gemein, ich würde Dir mein Leben schenken und Du? Du verhöhnst mich, quälst mich, plünderst mein Leben.“ Sie zuckte interessiert mit den Augenbrauen, das war neu. Da quoll Wut aus den Worten, quallengleich glibberte sie durch den Raum. „Oh jeh, jetzt kommt die große Jammerei? Du hast es selbst gewollt. Du hast bekommen, was Du wolltest. Alles hat seinen Preis.“
Erschüttert legte er seinen Kopf zwischen die Hände, die Arme auf die Knie gestützt. „Du hast mir gegeben, was ich wollte, aber Du nimmst es mir peu á peu wieder weg. Ich spüre es doch. Sie wollen alle zu Dir zurück, sie wollen nicht bei mir bleiben. Du ziehst sie an Dich, fesselst sie und lässt sie mir nicht. Ich trockne aus.“ Seine Stimme wurde immer leiser. Resignation brach sich ihren Weg, schmirgelte die Stimme, zerfetzte die Wortkleider.
„Das ist der Preis. Sie wären bei Dir geblieben, hättest Du es besser verstanden, mit ihnen umzugehen. Du hast sie verwaltet, aber erst jetzt, wo Du Schmerz verspürst, kannst Du sie mit Leben füllen. Nun ist es zu spät.“ Sie seufzte, das schien jetzt angebracht zu sein. „Du hast Deine Chance gehabt, hast sie nicht genutzt. Dir fehlt schlicht das Talent. Ein, zwei Würfe hast Du gelandet, aber das reicht nicht, dafür kann ich nicht bei Dir bleiben.“ Sie erhob sich langsam. Schritt durch den Raum, sammelte die Wortfetzen, Clowns, Quallen und anderen Wortsprengsel sorgfältig ein.
„Das lass ich nich zu!“ lallte er. „Oh doch, das wirst Du“ entgegnete sie kalt. „Dsss lssse nnnnn zzzzz.“ stammelte er. „Zu spät, schon fast passiert“ höhnte sie. „…sss…phhh….“
Sie griff nach einer Zigarette, betrachtete ihn rauchend. Wie ein augenloser Karpfen öffnete er den Mund, grimassierte, stieß kehlige Laute aus, rang mit den Händen. Ein prachtvolles Abbild der Verzweiflung, der Fassungslosigkeit und unglaublicher Dummheit.
Sie drückte die Zigarette im Aschenbecher aus, zuckte mit den Schultern. „Willkommen in der öden Stille Deines Hirns!“, drehte sich um und verließ sein Leben.
Maerz 2009 ... link
"Das lasse ich nicht zu!", schrie ich, Narr der ich war, denn der Schuss war längst abgegeben. Ich schrie noch, da hatte der Finger längst am Abdruck gezuckt, hatte der Finger längst die Muskelarbeit getätigt, hatten Sehnen sich angespannt, alles aufgrund des Willens einer Person. Oh June, warum tust du uns das an? Oh June!
Meine Augen waren weit aufgerissen, als hätten sie es meinem schreienden Mund gleichtun wollen. Ja und trotz dieser schmerzhaft aufgerissenen Augen sah ich in den Raum der Vergangenheit. Ich sah June im Sommerkleid, ich sah sie lachen, sah sie schaukeln, wiegen, lachen, nackt stöhnend, auf und unter mir. Ach June…
Ich schrie und ein Schweißtropfen löste sich von meiner Stirn, ich hörte den Ventilator mit seinen großen, altmodischen Flügeln an der Decke leise sirren in seinen Drehungen. Hatte ich mich nicht um dich gedreht? Oder du dich um mich?
Dieser Lärm! Ich muss denken… oder handeln? Oh, dieser verdammte Lärm! Mein Schrei, die Rotorblätter, dein Atmen, unser Herzschlag und der Schuss.
Ich habe Zeit mich zu wundern, dass deine Hand kaum zuckt, deine Hand nicht verzieht. Selbst der Lärm, dieser infernalische Lärm erreicht dich nicht. Wie sollte es mein Schrei?
June steht halb im Dunkeln, nur das Licht welches aus dem Raum in den Flur scheint beleuchtet sie. Genauso erreicht sie nur ein Hauch der Rotorblätter, ihr Haar weht nach hinten. Oder ist das die Wirkung des Schusses?
Ihr Gesichtsausdruck ist starr. Er erklärt nichts, er erklärt mir nichts.
Während ich versuche aufzuspringen, den Schuss versuchte aufzuhalten, hatte er sich längst gelöst, war die Kugel längst aus dem Lauf, diesem lange Lauf entwichen.
Und weil du dich um mich gedreht hattest und ich mich um dich, darum wusste ich-
Dein Gesicht musste nichts erklären, musste nicht sprechen, es hatte genug zu mir gesprochen. Ich hatte es längst lesen können. Ich kannte den Grund.
June, ein alberner Grund! Hattest du dich im Kreisen um mich verirrt, nicht mehr mich erkannt?
Erinnere dich, dein flatterndes Kleid, wenn wir uns drehten, wenn meine Hände auf deiner Taille und den Hüften lagen und du dich halten ließt. Dich nur von mir halten ließt. Du wusstest doch, dass ich nicht loslassen würde. Du lachtest immer sicher!
Und nun der Schuss.
Es war doch nur ein Lächeln, fast nicht mehr. Ein Händedruck, ein Kuss…
Der Stuhl unter mir fällt bei meinem Aufspringen zur Seite. Doch als die Kugel ihren Weg durch feine Haut, durch viel zu schmale Knochen und durch weiche, weiße Gehirnmasse findet, ist der Stuhl noch im Begriff des Fallens, ich im Begriff des Aufspringens und mein Schrei steckt noch halb in meiner Lunge.
Dieser Schuss. June, wieso nur dieser Schuss?
Als ich endlich von Tisch aufspringe, June entgegeneile, hat der Schuss längst sein Ziel erreicht. Oh dieser Lärm!
Die Frau im Raum schreit und der Körper bricht mit einem dumpfen Klang auf dem Boden zusammen. Dieser Klang. Lauter als der Schrei der Frau, lauter als der Schuss. Oh June, dieser Klang!
Die Frau schrie längst hysterisch, als ich den halb im Schatten liegenden Körper erreichte. Junes Körper. Mein Körper. Du gehörtest doch mir.
Du darfst mich nicht verlassen, du gehörst mir.
Oh June, wieso dieser Schuss?
Maerz 2009 ... link