Zögernd öffnete er die Tür, und noch keinen Spalt breit war sie offen, da hielt er inne. Wie oft hatte er sie schon geöffnet und durchschritten, so viele male. Und doch lag das letzte mal so lange zurück. Nachdenklich befühlte er die massive, kunstreich verzierte Tür. Die Jahre hatten ihr Holz dunkel gefärbt und Spuren hinterlassen. Doch das hatte ihrer Schönheit keinen Abbruch getan. Er atmete tief durch. Still war es um ihn herum. Er wusste nicht wohin, stand nur da und ließ seine linke Hand auf der unebenen Oberfläche ruhen während seine rechte mit dem Schlüssel spielte.
Auch ihn hatten die Jahre gezeichnet. Doch anders als die der Tür war seine Farbe mit der Zeit verblichen. Längst war er nicht mehr der junge Mann mit den dunklen, dichten Haaren, dem sie damals verfallen war. Sie hingegen, oh ja, sie war für ihn immer die bezaubernde, jugendliche Eleonor geblieben.
Es schien, als könne er unter dem Holz der Tür seinen eigenen Herzschlag spüren. Sein Herz, in dem er die Erinnerung an sie so weit unten vergraben hatte. Bis ihn der Brief erreichte, mit dem Schlüssel. Und nun stand er hier, alles fühlte sich so vertraut an, als hätte es die Jahre dazwischen nicht gegeben, als wäre es erst gestern gewesen, dass er die Tür zum letzten mal hinter sich geschlossen hatte.
Er zog seine Hand von der Tür zurück und fuhr sich nervös durch sein weißes Haar und über die tiefen Falten auf seinem Gesicht. Durch die Bäume auf der gegenüberliegenden Seite des Weges warf die Sonne ihre Schattenspiele an die Tür, die Schatten tanzten und lockten, als wollten sie ihn zum Eintreten ermuntern.
Steif beugte er sich nach unten, legte den Schlüssel unter den Fußabtreter und zog die Tür behutsam zu. Dann ging er den Weg zurück, den er gekommen war, von der Sonne geblendet. „Warum bist du schon zurück?“, fragte ihn seine Tochter, als er auf den Beifahrersitz sank. Er starrte durch das Seitenfenster. Es war falsch. Er fühlte es, und doch war er es der flüsterte „Weißt du, manche Türen lässt man lieber ungeöffnet.“