Donnerstag, 6. November 2008
Happy End

"Revolution! Revolution!", rief der kleine Hans, während er die Karotte über seinem Kopf schwenkte und lachte.

Natürlich hatte er da etwas sehr missverstanden. Schuld war sein grosser Bruder Klaus, der sich gerade in dieser bewussten Lebensphase befand, in der man gegen alles und jeden ... Nunja, Klaus hatte die orange Fibel des alten Führers Treibaus gelesen, heimlich natürlich, denn sein Vater hätte etwas dagegen gehabt, seinen Sohn bei solcherart Tun zu erwischen. Als Gemüsehändler war der schliesslich darauf angewiesen, dass alle bei ihm kauften. Jeder wusste ja, dass Revoluzzer, wie sie der Vater nannte, ein armes Pack waren und ihr Geld lieber für Fibeln als für Kohl ausgaben. Kurzum: Klaus, um seinen Bruder Hans zur Ruhe zu bringen, hatte diesen mit der vorhandenen eigenen Begeisterung in sein Geheimnis eingeweiht. Er konnte ja nicht ahnen, dass die eigentliche Botschaft ("Schnauze halten!") glattweg am kleinen Hänschen vorbei gleiten und damit das Schicksal erst recht seinen Lauf nehmen würde.

Das Schicksal ereilte zunächst Hänschen und später, nach den vom Kleinen schluchzend vorgebrachten Erklärungen, auch Klaus in Form der väterlichen Hand, die dank der täglichen harten Arbeit gut zuschlagen konnte. Klaus, der schon manchen Schlag aus ebendieser Hand empfangen hatte, war abgehärtet genug, hinter seinem Rücken dem kleinen Hans eine Faust zu zeigen, die auf spätere Abrechnung verwies. Das wiederum liess Hans erneut aufjaulen, weil er ahnte, was ihm bevorstand. Der Vater, durch dieses Gejaule an seine multiplen erzieherischen Pflichten erinnert, nutzte die freie Hand, um nochmals in Hansens Richtung zu witschen.

Wäre nicht die Mutter dazu gekommen, eine nicht minder beherzte Frau, hätte das wohl ewig so weiter gehen können. Denn der Vater war seeehr verärgert und zeigte auch noch keinerlei Anzeichen von Erschöpfung. Die Mutter jedoch rief mit ihrer harschen Altstimme:
" Ruhe! Aufhören!", und so zeigte sich, wer in Wahrheit die Hosen in der Familie an hatte.
Es fehlte nicht viel, dass auch Hansens und Klausens Vater die Hand an die Hosennaht gelegt und stramm gestanden hätte. Die beiden anderen, die wussten, dass auch die Mutter zwei nicht zu verachtende arbeitsharte Hände hatte, erstarrten sowieso. So glich alles Weitere manch früherer Situation. Während die Mutter die schändlich revolutionären Karotten ins tiefste Eck des Ladens hob, bellte sie ihre Befehle durch die Gegend. Jeder wusste, mit welchem Befehl er gemeint war, und alles zerstreute sich.

Nicht so die Zuschauer am Eingang des Ladens, die zunächst durch Hänschens Revolutionsruf und dann den Tumult im Laden aufgeschreckt worden waren. Die standen noch immer da, wie versteinert, als die Mutter in der Szenerie erschien, und zuckten kein Glied. Es schien, sie würden fürchten, bei der geringsten Bewegung ihrerseits unter den Einfluss dieses herrischen Weibes zu geraten, das da im Laden klar-Schiff machte.

-----

Abends im Bett, vor dem jeden Streit abzulegen man sich in der Kirche geschworen hatte, verkündete die Mutter mit nicht unzufriedenem Lächeln, dass man selten so einen umsatzstarken Tag wie diesen gehabt habe. Der Vater, dessen Respekt vor ihr nicht minder groß war als der der Kunden des heutigen Tages, die einfach fortzugehen sich nicht getraut hatten, brummelte Unverständliches, ehe er unvermittelt einschlief.