Donnerstag, 20. März 2008
Kunstrezension

„Und das soll Kunst sein?“ steht direkt auf einem sonst weißen Grund. Nichts anderes. Bezieht sich der Künstler mit dieser Frage auf die anderen auszustellenden Werke, oder meint er das eigene? Wahrscheinlich beides. Wobei er sich im ersten Falle in der Tradition von Magritte bewegt und im zweiten Falle die der Kritik als Kunst. Um das zu überprüfen muss man da mal näher ran. Und tatsächlich, da ist mehr zu sehen. Der Künstler der sich plus lumière nennt und vor einem Jahr mit einem kleinen schwarzen Büchlein für Furore sorgte, welches à la Banks mäßig ohne Zutun der Kuratoren sich im Ausstellungsraum der Wechselausstellung mit religiösen Schriften des Britsh Museums neben dem reichen Stundenbuch Heinrichs VIII. sich befand, welches wiederum durch den berühmten Riss in der Mitte der Seiten seinen Bruch mit der katholischen Kirche demonstriert, hat einiges zu bieten. Unter dem schwarzen Buch, welches nur geschwärzte Seiten zeigte, stand die Schautafel:


Das Buch der Wankelmütigen, für jedes Gotteshaus kompatibel. Angefertigt für Heinrich VIII. von dem Künstler plus de lumière als Präsent. Der Herrscher soll darüber gelacht haben und es über Jahre immer mit sich geführt haben. Er schwor auf ihr selbst seinen Schwur auf die Supremartsakte, in Wirklichkeit soll das der Grund für den Bruch mit Thomas Morus gewesen sein. Heinrich verlor dadurch einen Lordkanzler und der ehemalige Lordkanzler sein Leben, denn Heinrich ließ ihn hinrichten. Trotz des Humors und Nutzung des Herrschers wurde plus de lumière wegen Herrscherbeleidigung angeklagt und in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Das Urteil konnte nie ausgeführt werden.

Doch zurück zu dem Werk heute, welches neben großformatigen Bildern Alison Watts, wie Phantom von 2007, mit seinem recht kleinen Format einer DIN 3 Seite in dem Saal der National Gallary fast untergehen müsste, aber wegen seiner Aussprache doch anzieht. Eine Frage, die sich so manch einer in diesem Raum schon gestellt hat.
Doch nun der Schritt heran. Tatsächlich, die Verwandtschaft mit Magritte ist nicht zu leugnen. Was eben noch als einfacher Posterdurck wirkte ist feinste Ölmalerei. Wie bei Ceci n’est pas une pipe. wird ein Gegenstand abgebildet. Realistisch, in dem einen Fall die Pfeife, hier die Schrift einer Schautafel. Magritte macht mit seinem Satz darauf aufmerksam, dass der gezeigte Gegenstand nicht wirklich eine Pfeife ist, eben nur eine Darstellung. Sozusagen in platonischer Tradition. plus lumière geht nach dem Aufmerksammachen des abbildenden Charakters der Kunst noch einen Schritt weiter und fragt, ob die Abbildung allein Kunst ist. Eine Diskussion, die in der Kunstgeschichte oft geführt wurde und ihren Höhepunkt mit Aufkommen der abstrakten Kunst und ihrer Manifeste fand.
Doch anders als Magritte ist plus lumière frecher, tritt aus seinem Werk heraus und macht sich über das Kunstwesen allgemein lustig, hakt nach. Nicht allein die Diskussion um die Nachbildung scheint er anzusprechen, sondern eben das Kunstwesen allgemein. Er hinterfragt die Stofffalten Watts neben sich genauso wie Jeremy Dellers Memory Buckett gegenüber im Saal.
Es steckt also schon mehr dahinter als nur ein dummer lapidarer Satz. Auch wenn sich plus lumière, wer sich auch immer hinter diesem Namen verbirgt, die Kritik gefallen lassen muss, dass er die Kunst nicht neu erfindet, sein Konzept auch nicht bahnbrechend ist und Nachahmung in vielerlei Hinsicht für ihn kein Fremdwort ist. Trotzdem, durch die National Gallary weht mit seinem Bild, welches diesmal von den Kuratoren teuer erstanden wurde, ein lässiges Lachen.